Die Pandemie verlangt Hoteliers und Gastronomen Außergewöhnliches ab. Seit einem dreiviertel Jahr bestimmen Hygienekonzepte, Kurzarbeitergelder und Soforthilfen unsere Alltagsplanung. Die finanziellen Grenzen sind oftmals erreicht, das Virus jedoch scheint noch nicht am Ende zu sein. Viele Hoteliers haben ungeplante Unsummen für Alltagsmasken, Reinigungsmittel und Desinfektionsspender ausgegeben und viele Hotel-Mitarbeiter desinfizieren unsachgemäß und damit wirkungslos. Unwissend werden tausende von Euros verschwendet sowie Oberflächen zerstört und die Gesundheit der Mitarbeiter gefährdet. Gut gemeinter Aktionismus und Hygienekonzepte helfen nicht entscheidend weiter, wenn wichtige Grundkenntnisse in der Reinigung und Mikrobiologie fehlen.
Aber wie führen wir die Reinigung und Desinfektion wirksam und wirtschaftlich aus?
Hygieneexpertin und Inhaberin der Housekeeping Akademie, Mareike Reis, deckt in unserem Interview die häufigsten Fehlerquellen im Umgang mit Reinigungs- und Desinfektionsmitteln auf und erklärt anhand ihrer Praxiserfahrungen, wie Housekeeping-Mitarbeiter richtig reinigen und dennoch ordentlich wirtschaften können.
“Nach einigen Jahren und Stationen in der Hotellerie u.a. als leitende Hausdame, habe ich mich mit meinem Beratungsunternehmen 2016 selbstständig gemacht. Als Expertin berate, trainiere und coache ich Hotelmitarbeiter mit meinem Team zum Thema GANZHEITLICHES HOUSEKEEPING – mit 360° Blickwinkel: Qualitätsmanagement, Leadership, Umsetzung in der Praxis, Implementierung von Reinigungs- und Hygienekonzepten gehören u.a. zu unserem Portfolio. Wir bilden Mitarbeiter fachlich und persönlich aus und weiter. Für jeden Lerntypen haben wir mit unserer Housekeeping Akademie den richtigen Lernort entwickelt.
Kurz gesagt: Wir machen Hotels erfolgreicher, indem wir Hotel-Manager auf die Chancen aufmerksam machen, die in der Qualifizierung ihrer Housekeeping-Abteilungen liegen.
Mit der Housekeeping Akademie haben wir uns zum Ziel gesetzt, fachgerechtes Reinigen und Hygienemaßnahmen für Housekeeping-Mitarbeiter erlernbar zu machen. Moderne Reinigungsverfahren und -techniken, Hygieneschulungen, Hygienezertifizierung, Entwicklung von Führungskräften, Qualitätssicherung, Team-Building, Mentoring sind u.a. wichtige Bausteine unserer Qualifizierungsmaßnahmen im Housekeeping-Training.
Dieser Prozess beginnt mit einer 360°-Analyse vor Ort sowie einem anschließenden schriftlichen Maßnahmenkatalog. Wir begleiten auch bei der Umsetzung und Implementierung der anstehenden Aufgaben. Mit praxisorientierten Lösungen sorgen wir für Arbeitsfreude und Ressourcenschonung.”
“Den Ernst der Lage habe ich aufgrund meiner mikrobiologischen Kenntnisse sehr schnell erkannt. Hygienekonzepte gehören ja schon seit eh und je zum professionellen Housekeeping dazu, aber es war erst einmal schwierig, abzuschätzen, wie sich die ganze Lage dramatisch für die Hotellerie und die Gesellschaft entwickeln würde. Die Verunsicherung in der Branche war – und ist immer noch – sehr groß. Viele Inhaber und Manager stellen sich die Frage „Reicht das aus, was wir bisher gemacht haben?“ Vor allem Mitarbeiter fragen verunsichert: „Wie sind denn wirklich die Übertragungswege?“ oder „Welche Gefahr steckt tatsächlich dahinter?“. Zusätzlich sorgten unzählige Begrifflichkeiten weiter für Verwirrung. So lag es für uns nahe, dass wir dringend mit entsprechenden Web-Seminaren für Aufklärung sorgen und den Hoteliers beim Erstellen der Hygienekonzepte Hilfestellung leisten mussten.”
“Ja, das Bewusstsein für die Hygiene hat sich maßgeblich verändert. Heute sehen wir viel klarer, dass wir diesem Bereich eine erhöhte Aufmerksamkeit schenken müssen. Fachwissen bezüglich Reinigung und Desinfektion ist in dem Bereich unerlässlich. Auch Gäste sind extrem sensibel im Bereich Sauberkeit und Sicherheit geworden. Oft wurde dann gefragt: „Macht ihr das denn auch alles richtig?“, oder „Hier riecht es ja gar nicht nach Desinfektionsmittel – reinigt ihr denn auch gut?“.
Ein professioneller Auftritt und ein verantwortungsbewusstes Handeln der Reinigungs-Crew ist unabdingbar geworden. Zusätzlich hatten viele Betreiber Beschaffungsprobleme: erst waren Masken knapp, dann Handschuhe. Dies erschwerte eine sichere Ausführung und verursachte weitere Ängste. Da sind wir alle vor unvorstellbare Herausforderungen gestellt worden. Oft war Improvisation gefragt. Logistik spielt immer noch eine große Rolle. Es geht darum, die richtigen Materialien, zum richtigen Zeitpunkt, am richtigen Ort zu haben.
Auch die Thematik „kritische Oberflächen“ ist nicht zu vernachlässigen – wie stark werden Hotelbereiche frequentiert? Wann, wie oft und in welcher Intensität müssen Kontaktflächen gereinigt oder gar desinfiziert werden? Hier muss eine Risikoanalyse durchgeführt werden. Es ist wichtig, auf der Höhe der Zeit zu arbeiten, mit den aktuellen Erkenntnissen der Wissenschaft und nicht an Traditionen oder Vermutungen festzuhalten. Hier hilft es, sich immer wieder bei Experten upzudaten.”
“Ja, auch wir haben beobachtet, dass eine große Besorgnis herrschte. Hotelmitarbeiter wollen natürlich alles richtig machen und kümmern sich größtenteils um Sorgfältigkeit bei der Hygiene. Schon früh erkannten die Meisten, dass uns die Pandemie noch länger begleiten wird und wir dringend etwas tun müssen bzw. konkreter handeln müssen. Das Thema Hygiene wurde nun auf eine ganz andere Karte gesetzt und offen an Gäste kommuniziert z.B. über neue Website-Bereiche. Es wurden neue Wege durchdacht, wie nun professionelle Hygienestandards umgesetzt werden können. Auch dem Gast zu signalisieren: „Bei uns bist du sicher!“
Unser Ziel ist es, die Arbeitsschritte bei den Mitarbeitern auf die mikrobiologischen Perspektiven zu legen. Die Aktivierung des Verantwortungsbewusstseins jedes Einzelnen gehört genauso dazu, wie die korrekte Ausführung der Arbeitsabläufe. Dazu muss das Personal kontinuierlich trainiert werden. Nachlässigkeiten durch Unverständnis bedeuten Fehlerquellen und größeren Schaden.
Mir ist durchaus bewusst, dass Hoteliers immense Summen in sämtliche Hygiene- und Sicherheits-Maßnahmen gesteckt haben – teilweise ehrlicherweise auch viel zu viel. Aus Nichtwissen, Unsicherheit oder blankem verzweifeltem Aktionismus wurden Verneblungsgeräte, Lüftungsfilter oder Ozongeräte angeschafft, welche leider oft auch gesundheitsschädlich sind. Hier lohnt es sich aus Profisicht einen Blick darauf zuwerfen, welche Maßnahmen wirklich sinnvoll und wirksam sind und welches Zusammenspiel dafür notwendig ist. Zusätzlich hat auch die Industrie die Chance erkannt, mit den unterschiedlichsten Hygieneprodukten den Umsatz ihres Lebens zu machen. Zusätzlich hat es eine inflationäre Entstehung von Hygienesiegeln gegeben, welche mitunter gar nicht die wichtigsten Aspekte beinhalten oder kontrollieren. Wie soll man als ausführender Hotelier den Überblick behalten und sinnvolle Entscheidungen treffen? Wem vertraut man?
Ich sehe uns als neutrale Instanz. Es ist mir wichtig, über notwendiges und unnützes Equipment aufzuklären und über wirkungsvollen Methoden zu berichten.”
“Es geht darum: Maßnahmen verantwortungsvoll, aber auch sinnvoll umzusetzen. Nicht alles was möglich ist, ist auch nötig.
Unwissenheit kombiniert mit Ängsten bewirkt eine Überreaktion. Die Betreiber orientieren sich an höheren Instanzen – z.B. dem RKI, unsere Regierung, diversen Virologen und Verbänden. Oft gehen die Meinungen auseinander. Dann schalten sich auch noch viele Industrie-Anbieter dazwischen und offerieren ihre Hygieneprodukte. Wie soll man da den Überblick behalten? Oft ist die Denke, lieber zu viel Aktion als zu wenig. Aus dieser Fülle an mehr oder weniger sinnvollen Maßnahmen resultieren Aktionismus und Geldausgaben.
Mir ist es wichtig, meine Kunden ohne Profitinteressen neutral zu beraten und durch diesen Dschungel des überschwappenden Hygiene-Markts zu führen sowie aufzuzeigen, was sie wirklich benötigen und kostspielige Fehlerquellen zu eliminieren.”
Ich habe einen Auszug aus den häufigsten Fehlerquellen im Folgenden aufgelistet:
“Momentan stellt die Resignierungsphase durch die ständigen Verlängerungen des Lockdowns für alle eine besondere Herausforderung dar. Viele Kollegen sitzen derzeit im Homeoffice oder sind in Kurzarbeit und wissen gar nicht, wie es weiter geht. Oftmals wird verpasst, den Kontakt zu halten. Daher ist es ratsam, den Kontakt zum Team durch Video-Calls, gemeinsamen Sport über Zoom oder andere gemeinsame Online-Tätigkeiten zu halten. Auch eine transparente Kommunikation, was im Hintergrund momentan alles passiert, sowie Zuversicht und Optimismus zu verbreiten, ist die Devise. Zudem sollte jetzt eine Aufklärung zu den Zusammenhängen, also das Vermitteln von Wissen an das Personal erfolgen, vor allem in Bezug auf Reinigung und Desinfektion – und damit auch Ängste abbauen. Ziel ist es, damit das Bewusstsein der Mitarbeiter zu schärfen, dass jeder Einzelne es in der Hand hat, was alles passieren kann. Die Basis dafür ist ein Verständnis für bewusstes Reinigen.
Wir haben mit Clean & Safe dafür ein anerkanntes Trainings- und Zertifizierungskonzept gemeinsam mit InfraCert, die auch schon das GreenSign Nachhaltigkeitszertifikat vergeben, entwickelt.”
“Ja gerne, vorher aber noch ein kurzer Rückblick dazu. Als im November 2020 der Lockdown beschlossen wurde, haben wir immer wieder gehört: „Die Hotellerie und Gastronomie sind kein Hotspot.“ und „Wir haben doch alles für die Sicherheit unserer Gäste getan!“. Dazu möchte ich anmerken, dass sicherlich viel getan und eine Menge Geld investiert wurde, aber leider liegt zwischen Theorie und Praxis immer ein ausschlaggebender Unterschied. Es kommt tatsächlich auf die Ausführung der Mitarbeiter an. Leider wurde bisher genau hier oft sehr viel falsch gemacht. Ich habe absolutes Verständnis, dass Hoteliers dies schwer nachvollziehen können, nachdem so viel Aufwand betrieben wurde, und dass sie auch um ihre Existenz bangen. Es geht aber nicht nur darum, ein mehrseitiges schriftliches Hygienekonzept zu haben, Plexiglasscheiben aufzustellen und das Personal zu informieren. Das alles ist kein Garant. Es kommt wirklich auf das Verhalten jedes einzelnen Mitarbeiters an. Dieses ist entscheidend.
Wer nicht weiß, wie richtig gereinigt und desinfiziert wird, kann eine sichere Hygiene nicht garantieren. Mittlerweile gibt es zig verschiedene Hygienesiegel in der Hotellerie. Die Motivation für uns, noch ein weiteres auf den Markt zu werfen, war unser höherer Anspruch an die Qualität solcher Siegel. Probleme einfach mit Siegeln zu überkleben, kann niemals nützlich sein. Wir halten nichts von „Clean&Safe-Washing“. Ein Siegel am Hoteleingang bringt gar nichts, wenn man die Mitarbeiter nicht mitnimmt. Deswegen haben wir mit unserem Clean & Safe die Ausbildung und Aufklärung des Housekeeping-Personals in den Vordergrund gestellt, damit es eben keine Showplakette gibt, sondern das gesamte Vorgehen nachhaltig und qualitativ sichergestellt ist. Unser Ausbildungskonzept kombiniert das kontrollierte Hinschauen der Hotelcrew mit einem entsprechenden Nachjustieren und Trainieren unserseits, was unserem Siegel eine entsprechende Aussagekraft, Wertigkeit und Gewährleistung für Hygiene und Sicherheit verleiht.”
Ich habe im Folgenden einige der Vorteile des Clean & Safe Siegels aufgelistet:
“Weil InfraCert ja bereits mit ihrem GreenSign für Nachhaltigkeit steht, war es uns wichtig, dass auch beim Clean & Safe Siegel umweltschonende Aspekte mit einfließen. Ich selbst bin grundsätzlich ein großer Freund von chemiefreier Reinigung. Viele Menschen denken bei Hygienevorschriften erst einmal an den Einsatz von Chemikalien, aber in Wirklichkeit ist das nicht immer unbedingt nötig und es gibt andere Wege. Auch durch die Erhöhung der Reinigungsintervalle werden nun meist mehr Ressourcen (Wasser, Energie, Papierhandtücher, Handschuhe, Mikrofasertücher etc.) verbraucht. Daher haben wir ein paar Elemente in den Katalog eingebaut, auch um das Bewusstsein für Nachhaltigkeit zu schärfen. Es werden ressourcensparende und biologische Alternativen vorgeschlagen. So hat der Hotelier die Wahl, ob er/sie die Sicherheitsmaßnahmen nachhaltig machen möchte und 80% der nachhaltigen Kriterien umsetzt, dann erhält man das erweiterte Siegel Green Clean & Safe.”
“Ich persönlich sehe Krisen immer als Chancen und Entwicklungsmöglichkeit. Daher nehme ich diese Herausforderung an und akzeptiere sie. Das macht uns stärker. Das macht uns besser. Das lässt uns wachsen. Lassen Sie sich nicht von den Horrormeldungen irritieren und nutzen Sie jetzt die Zeit, den Betrieb zukunftsorientiert aufzustellen. Natürlich müssen wir alle vernünftig aushalten und Einige bangen um das „Überleben“ des Hotelbetriebs. Nichtsdestotrotz geht es nun darum, hoffnungsvoll zu bleiben, durchzuhalten und die Zuversicht nicht zu verlieren. Jetzt ist es an der Zeit – vor dem Restart – den kompletten Betrieb zu durchleuchten und Verbesserungspotential für die Zukunft zu erkennen. Vielleicht stellt sich dabei die Frage nach neuen Zielgruppen, besseren digitalen Lösungen, optimierten Strukturen oder nachhaltigen Alternativen für die Prozesse.
Gerne geben wir mit unserem Clean & Safe Programm eine Hilfestellung im Bereich Housekeeping zum Schutz Ihrer Gäste und Mitarbeiter.”
Vielen Dank, liebe Mareike Reis, für das informative Gespräch.
InfraCert – Institut für nachhaltige Entwicklung in der Hotellerie
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