Inklusion im Arbeitsalltag: Wie aus Haltung gelebte Praxis wird
| Anja Engel & Victoria Knauer-Hansen
Inklusion von Menschen mit Behinderung ist immer wieder ein Thema in Politik, Gesellschaft und Unternehmen. Doch trotz zahlreicher Initiativen bleibt die Umsetzung in der Praxis oft eine Herausforderung. Strukturen, Unsicherheiten und fehlende Informationen führen dazu, dass das Thema oft noch als Sonderfall behandelt wird.
Im Gespräch teilt Victoria Knauer-Hansen ihre Perspektive auf bestehende Hürden und Potenziale inklusiver Arbeitskultur – insbesondere in der Hotellerie. Sie spricht darüber, welche Fragen sich Unternehmen stellen, welche Unterstützung sie benötigen und wie ihr persönliches Projekt „AVA – Herz drauf“ dazu beitragen soll, mehr Offenheit und Bewusstsein für das Thema zu schaffen.
Freut euch auf einen Beitrag über Aufklärung, Chancen und konkrete Ansätze für mehr gelebte Vielfalt im Unternehmensalltag.

Aus meiner Sicht sind mangelnde Information und tief verankerte Vorurteile nach wie vor die größten Hürden auf dem Weg zu echter Inklusion. Unsere Ämter begutachten Menschen mit Behinderung – oft auch ihre Familien – und ordnen sie anschließend bestimmten Programmen oder Therapien zu. Was dabei häufig fehlt, ist die Unterstützung, die tatsächlich gebraucht wird: individuelle Begleitung, echte Teilhabe und eine Perspektive jenseits von standardisierten Maßnahmen.
Es darf in der heutigen Zeit nicht mehr „normal“ sein, dass Betroffene das Gefühl bekommen, nicht in das gesellschaftliche Bild zu passen. Noch immer lernen und arbeiten viele Menschen mit Beeinträchtigung in Sondereinrichtungen oder Werkstätten–Systemen, die ursprünglich als Übergang gedacht waren, aber sich mittlerweile verfestigt haben. Gleichzeitig bleibt die Arbeitslosenquote unter Menschen mit Behinderung erschreckend hoch.
Dabei wird das Thema Inklusion seit Jahrzehnten diskutiert. Es wurde viel gesprochen, viel angekündigt – aber wirklich verändert hat sich in der Breite noch zu wenig. Es braucht endlich ein gesellschaftliches Umdenken, denn Inklusion darf kein Sonderfall sein, sondern muss zur Selbstverständlichkeit werden.
Zunächst einmal: Es gibt bereits viele großartige Beispiele von Unternehmen, Organisationen und Einzelpersonen, die sich aktiv für Inklusion einsetzen – und das ist absolut ermutigend! Gleichzeitig liegt noch ein weiter Weg vor uns, bis Inklusion nicht mehr als ein „Sonderthema“ behandelt wird, sondern ganz selbstverständlich zum Alltag gehört.
Mein Wunsch wäre, dass wir uns endlich vom traditionellen deutschen Arbeitssystem verabschieden – einem System, das vielfach nicht mehr zu unserer heutigen Realität passt. Gerade in der Hotellerie erleben wir täglich, wie vielfältig unsere Gesellschaft ist. Inklusion, Diversität und Gleichberechtigung sollten längst gelebter Standard sein – nicht nur Schlagworte, sondern integrale Bestandteile einer modernen Unternehmenskultur.
Aus meiner Sicht braucht es ein starkes Zusammenspiel von Unternehmen, Gesellschaft und Politik, wenn es um echte Inklusion geht. Vor allem im Bereich Information und Aufklärung herrscht noch viel Unsicherheit. Viele Verantwortliche stellen sich praktische Fragen: Wie gehe ich mit Menschen mit Behinderung im Arbeitsalltag um? Wo und wie kann ich ihre Stärken gezielt einsetzen? Wie hoch ist das Risiko von Krankheitsausfällen? Wie reagieren Kollegen? Und ganz wichtig: Wer unterstützt bei der Anpassung von Arbeitsplätzen,-wer übernimmt die Kosten?
Diese Fragen führen oft zu Berührungsängsten, weil der Einstieg zunächst kompliziert oder aufwendig erscheint. Deshalb ist gezielte Aufklärung – verbunden mit konkreter politischer Unterstützung – das A und O. Denn Unternehmen dürfen bei diesem Thema nicht allein gelassen werden.
In anderen Ländern, wie etwa in Skandinavien oder Kanada, sehen wir, wie gut finanzielle Förderungen, gesetzliche Rahmenbedingungen und öffentliche Kampagnen zusammenspielen können, um Inklusion nicht nur zu ermöglichen, sondern aktiv zu fördern.
Deutschland hat hier noch viel Nachholbedarf. Gerade in einer Zeit, in der wir über Fachkräftemangel sprechen, über Nachhaltigkeit, Digitalisierung und soziale Verantwortung, muss auch Inklusion einen zentralen Platz einnehmen.

Zum einen möchte ich aktiv dazu beitragen, dass Inklusion und Vielfalt in der Branche gelebt werden und zum anderen möchten ich Unternehmen, bzw. Hotels dazu ermutigen offen für das Thema zu werden. „AVA“ steht für Kraft, Stärke und die Stimme. „Herz drauf“ spricht hoffentlich für sich und entstand aufgrund persönlicher Erfahrungen mit dem Thema und dessen Bedeutung.
Ich wünsche mir neben der Aufklärungsarbeit vor allem, andere inspirieren zu können Arbeitsverhältnisse inklusiver zu gestalten und die menschliche Vielfalt aus verschiedenen Winkeln zu betrachten. Gerade in der Hotellerie, wo Gastfreundschaft und Begegnung zentrale Werte sind, ist nicht gelebte Inklusion ein Widerspruch, den wir uns nicht länger leisten können – weder menschlich noch wirtschaftlich.
Deshalb setze ich mich mit Leidenschaft dafür ein, Inklusion in unserer Branche nicht nur zu thematisieren, sondern auch aktiv mitzugestalten. Inklusion betrifft jeden von uns und erfordert unser geschlossenes Handeln. Das Handeln von Einzelnen, in Teams, auf Führungsebene, in Brancheninitiativen, Netzwerken und Partnerschaften.
Wir können das nur gemeinsam erreichen!
Inklusion muss nicht kompliziert sein. Schon kleine Veränderungen können viel bewirken, für Gäste, Kunden und Mitarbeitende. Ein barrierefreier Eingang, klare Wegweiser, eine Website, die für alle nutzbar ist. Solche Maßnahmen machen den Unterschied im Alltag vieler Menschen.
Auch in der Personalgewinnung lässt sich Vielfalt ganz bewusst mitdenken. Offene Stellenanzeigen, die alle Menschen willkommen heißen, senden ein starkes Signal. Und wer seine Mitarbeitenden im Umgang mit Vielfalt schult, schafft ein Arbeitsumfeld, in dem sich alle respektiert und eingebunden fühlen.
Wichtig ist vor allem eins: Das Thema nicht aus Unsicherheit aufschieben. Es gibt viele Fachstellen, Förderprogramme und Inklusionsberater, die dabei unterstützen, passende Lösungen zu finden. Bei ersten Fragen dazu, meldet euch gerne bei mir.

Vielen Dank, liebe Victoria! Wir freuen uns, wenn du zu diesem wichtigen Thema in unserer Blog-Kategorie INKLUSION auch in Zukunft weitere Einblicke und Impulse aus der Praxis beisteuerst – denn gelebte Vielfalt braucht Stimmen wie deine. Sei also gespannt – es kommt noch mehr! Und wenn du selbst Erfahrungen, Fragen oder Ideen rund um das Thema Inklusion hast: Melde dich gern bei uns. Denn echte Veränderung beginnt im Dialog.
Schaue gerne auch in diese Beiträge von Victoria:
Podcast-Folgen zum Thema Inklusion:
Victoria auf dem Podium:
Diese Formate geben weitere spannende Impulse zum Thema Vielfalt und zeigen, wie Inklusion im Unternehmensalltag gelebt werden kann.
Herzliche Grüße
Anja

About: Victoria Knauer-Hansen
Die Hamburgerin ist seit 20 Jahren in der Hotellerie tätig und weltweit für die Branche im Einsatz. Als Sustainability Managerin beim GreenSign Institut liegt ihr Fokus nicht nur auf nachhaltigen Praktiken, sondern auch auf den wichtigen Themen Diversity & Inklusion. Mit der Initiative „AVA- Herz drauf“ setzt sie sich besonders für Menschen mit Behinderung ein. Sie unterstützt die DHA als Dozentin und war bereits in verschiedenen Podcast Folgen zu Gast.